Telly macht das Geschäftsmodell der TV-Branche transparent. Das Startup verschenkt 55-Zoll-Fernseher, finanziert sich aber vollständig über Werbung auf einem zusätzlichen Display. Nach monatelangem Test von The Verge zeigt sich jedoch, dass der vermeintlich kostenlose Fernseher seinen Preis hat.
Das Konzept ist radikal ehrlich. Während andere Hersteller ihre Geräte günstig verkaufen und heimlich mit Werbedaten Geld verdienen, sagt Telly-CEO Ilia Posin offen, dass er euch eine Plakatwand ins Wohnzimmer stellt und euch dafür einen Fernseher schenkt.
Der Telly-Fernseher besteht aus einem 55-Zoll-Hauptbildschirm und einem darunter montierten 10 Zoll hohen Display, das über die gesamte Breite läuft. Dieses zweite Display zeigt permanent Werbung, Nachrichten-Ticker und Widgets und lässt sich nicht ausschalten oder verdecken. Die Nutzungsbedingungen verbieten sogar das Abkleben des Werbebereichs.

Besonders clever hat Telly wichtige Bedienelemente auf das untere Display verlegt. Ihr müsst dort hinschauen, um zwischen Apps zu wechseln oder Einstellungen zu ändern. Die permanenten Bewegtbilder und blinkenden Elemente lenken dabei stark vom eigentlichen TV-Programm ab.
Besonders brisant ist die integrierte Kamera in der Soundbar des Telly-Fernsehers. Sie ermöglicht Videotelefonie und Fitness-Apps mit Bewegungserkennung, kann aber auch erkennen, ob jemand vor dem Gerät sitzt. Obwohl Telly versichert, die Kamera nur bei aktiver Nutzung einzusetzen und sie auch im Zweifel abdecken zu können, sammelt das Gerät umfangreiche Daten über Nutzungsverhalten und Anwesenheit der Zuschauer. Diese Überwachung ist ein zentraler Baustein des werbefinanzierten Geschäftsmodells und macht deutlich, dass der „kostenlose“ Fernseher mit der Privatsphäre bezahlt wird.
Der Test von The Verge offenbart weitere Schwächen. Beim Einschalten startet zunächst eine KI-generierte Nachrichtensendung mit einer digitalen Moderatorin. Die Bedienung ist träge, das Gerät benötigt lange zum Hochfahren. Zusätzliche Features wie Zoom-Anrufe oder Fitness-Apps funktionieren nur unzuverlässig.
Das Gerät selbst ist unhandlich hoch und schwer. Streaming-Apps sind nicht integriert, stattdessen liegt ein Google TV-Dongle bei. Nutzer müssen zudem umfangreiche Datenfragebögen ausfüllen und sich permanent überwachen lassen.
Wahrscheinlich überflüssig zu sagen, aber: Bis jetzt ist der Telly nur in den USA verfügbar und es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass er auf den EU-Markt kommt. Telly zeigt aber exemplarisch, wohin die Reise gehen könnte. Werbung dringt zunehmend in private Räume vor, von Smart-Displays bis zu Kühlschränken. Die Frage bleibt, wie viel Komfort Verbraucher für kostenlose Geräte opfern. Bei einem Marktpreis von etwa 300 Euro für vergleichbare Fernseher scheint die Rechnung für die meisten nicht aufzugehen.
