Zu den wichtigsten Punkten für ein gesundes Leben gehört Zweifelsohne die Selbstreflexion und das Erkennen der eigenen Lebensprobleme. Manche essen vielleicht gar nicht so schlecht, bewegen sich aber viel zu wenig. Manche bewegen sich viel, essen aber viel zu schlecht. Es ist alles sehr individuell. Was viele jedoch gemeinsam haben: Sie trinken Alkohol.
Gerade in Deutschland ist Alkohol gesellschaftlich anerkannt, gehört in vielen Leben einfach dazu. Familienfeier, Fußball gucken, Feierabend – oder einfach ein Mittagessen im Restaurant. Wer nicht anstößt, gehört nicht dazu. Aber wer wegen Alkohol in Probleme gerät, wird für seine vermeintliche Schwäche ausgelacht und links liegen gelassen. Auch ich hatte Alkoholprobleme, darum soll es heute gehen.
Kaum einer, der nicht trinkt
Und mit diesen Problemen bin ich nicht allein. Schaue ich in meine Familie, in den Freundeskreis und in den erweiterten Dunstkreis, dann ist Alkohol ein ständiger Begleiter der meisten mir bekannten Personen. Um langfristig jedoch fit und gesund zu sein, um endlich voll leistungsfähig für Familie und Beruf sein zu können, kam irgendwann der Tag, an dem ich persönlich dem Alkohol endgültig abgeschworen hatte.
Doch es hat viele Jahre gedauert, bis dieser Tag kam. Ich habe fast zwanzig Jahre durchgängig Alkohol konsumiert (von 16 bis 34), kurz vor „Ende“ jedoch besonders viel und in sehr häufiger Regelmäßigkeit. Bevor ich im Oktober 2023 den Entschluss gefasst hatte, nie wieder Alkohol zu trinken, hatte sich das allgegenwärtige Zellgift längst in meinen Alltag geschlichen. Und damit meine ich wirklich den Alltag, jeden Tag, von Montag bis Sonntag.
Trotz Kind und Frau gehörte der Griff zur Flasche einfach dazu. Jeden Abend gab es mindestens ein Bier, in den letzten Jahren jedoch meist eher zwei bis drei Bier. Oder Gin Tonic. An Fußballabenden auch mal gern fünf bis acht Bier, es floss am Wochenende natürlich in der Kneipe oder mit Freunden/Frau auf der Couch, an Bundesliga-Spieltagen ging es schon nachmittags los. Oder am Freitag mit Papa zum Mittagessen: vier Bier waren da für mich ganz normal.
In den letzten Jahren meines Konsums waren wir außerdem zu jedem Heimspiel des FSV Zwickau im Stadion, wir hatten Logenkarten. Ich war der erste eine Stunde vor dem Spiel und oft genug einer der letzten nach dem Spiel. Jeder Barmann wusste mein Getränk und bereitete schon vor, als ich zur Bar lief. Was damals „lustig“ war, dafür schäme ich mich heute. Meist kam ich betrunken nach Hause, war schon nachmittags gegen 16 Uhr für nicht mehr viel zu gebrauchen.
In diesem Zustand reagierte ich auf alles, was meine Frau zu mir sagte, oft nur noch gereizt und genervt, ungehalten, manchmal schon aggressiv. Uneinsichtig war ich, in diesem Zustand ist das Normalität. Die paar Bier. Die paar Fußballspiele im Jahr, bei denen ich mal Spaß habe, damit wird sie schon klarkommen, dachte ich mir. Dass meine Frau irgendwann regelrecht Angst vor diesen Wochenenden hatte, war mir nicht bewusst.
Zu viel und immer mehr
Als ich angefangen habe Sport zu treiben und meine Ernährung zu ändern, war Alkohol noch immer ein ständiger Begleiter. Noch ein ganzes Jahr lang. In dieser Zeit habe ich mich selbst belogen. Ich dachte, dass es reichen würde, den Konsum auf das Wochenende zu konzentrieren. Unter der Woche sollte ich nur noch trinken, wenn der BVB spielt. Im Stadion sollte es auch weniger werden: Das führte zu teilweise absurden Ideen, z. B. alkoholfreies Bier zu trinken und mich stattdessen auf kleine Sektgläser zu beschränken. Ist ja weniger als ganze Bier zu trinken – oder?
Falsch. Ich konsumierte schlussendlich zwar an weniger Tagen, aber dafür von Freitag bis Sonntag weiterhin besonders viel. Kontrolliert zu trinken war ein Wunsch, nicht die Realität. Ich suchte förmlich Gründe, am Wochenende einen Anlass zu haben. Es war immer noch zu viel, um körperlich noch irgendwelche Fortschritte machen zu können. Alkohol hemmt durch die notwendige Entgiftung den Stoffwechsel extrem und das über mehrere Tage, bringt dazu noch Kalorien ohne Ende mit sich.
Ich musste nun wirklich etwas ändern, wurde mir zunehmend bewusst. Dabei kommt auch eine Art von Angst auf. Denn sollte ich je wieder Spaß haben können? Kann ich ohne Alkohol überhaupt emotional Fußball gucken? Sind Restaurantbesuche dann für mich noch ein Genuss? Wie kann ich ohne dieses leckere Getränk ein erfülltes Leben führen? Absurd, aber das war meine Realität.
Das hört jetzt auf und zwar für immer
Nach einem weiteren Abend mit Freunden in der Kneipe und dem x-ten Kater am darauffolgenden Morgen, stand für mich endgültig fest: Ich will nicht mehr weitermachen. Seit diesem Tag trinke ich keinen Alkohol mehr. Es gab ein einziges Glas Champagner auf unserer Hochzeitsreise, das war alles in den letzten zwei Jahren. Und es soll auch das letzte Glas bis an mein Lebensende gewesen sein, das ist in meinen Kopf eingebrannt.
Ich hatte einerseits ein großes neues Ziel für mein Leben und zugleich die spürbare Gefahr, vielleicht doch irgendwann mit meinem Verhalten meine Frau und mein Kind zu vertreiben. Diese Faktoren reichten aus, um mich vom Alkohol von heute auf morgen lossagen zu können. Danach beschäftigte ich mit Podcasts mehr damit, wie sich Alkohol in unsere Gesellschaft gefressen hat und dass er für sehr viele Menschen ein akzeptiertes weil ungesehenes Problem ist.
Auch du kannst endlich dem Alkohol entfliehen
Die zu diesem Zeitpunkt unbewusste Parallele: Mein bester Freund, wir kennen uns seit Sandkastentagen (bald 30 Jahre), hat durch Alkohol beinahe sein Leben verloren. Nach außen erfolgreich, mit Frau und Kindern, innerlich vom Stoff zerfressen. Er ging nun sogar noch einen Schritt weiter, hat mit einem Partner das Programm reboot30 aufgesetzt, um anderen Betroffenen zu helfen. Eine weitere Empfehlung meinerseits ist Ohne Alkohol mit Nathalie, gerade ihr Podcast hilft bei der Selbstreflexion.
Rückblickend ist mein Schlussstrich mit Alkohol eine meiner besten Entscheidungen gewesen, für meine Familie und mich. Ich bin seit zwei Jahren nicht krank gewesen, stehe jeden Tag komplett klar auf und gehe klar zu Bett. Ich bin nur noch schwer reizbar, ruhe in mir selbst und fühle mich durch den Zusatz von Sport sowie meist cleaner Ernährung so ausgeglichen wie nie zuvor.
Schöner Bericht und Respekt dass man es selber eingesehen hat! Bei mir hat es auch lange gedauert.
Dafür hast du meinen tiefsten Respekt. Ich bewundere das, was du erreicht hast. Da muss ich mir eine große Scheibe abschneiden. Zwar habe ich kein Problem mit Alkohol, aber es gibt noch einiges, was ich vor mir herschiebe und meine Gesundheit stark drunter leidet. Danke für diesen Beitrag.