LG G6 Testbericht: Solides Flaggschiff im Preisverfall

In den letzten Wochen haben wir uns das LG G6 anschauen können, das im Test nicht immer zu überzeugen wusste und trotzdem ein kleiner Geheimtipp ist. Natürlich ist das LG G6 nicht gerade im Verborgenen geblieben, doch es bekam nicht annähernd so viel Buzz wie ein Samsung Galaxy S8 und der stark verzögerte Marktstart war auch nicht unbedingt eine kluge Entscheidung der Südkoreaner. Am Ende wird das G6 weniger wahrgenommen, als es verdient hätte.

Ich nannte eben nur zwei Gründe, warum der Preis des LG G6 ziemlich rasend zerfällt. Zudem trägt die Ausstattung des Smartphones bei, der Prozessor ist aus der 2016er Generation und 32 GB Datenspeicher sind bei einer UVP von 750 Euro schlicht zu mager. Zum Zeitpunkt des Artikels ist das LG G6 schon für 500 Euro zu bekommen, nur zwei Monate nach Marktstart.

Hinweis: Wer mir privat bei Twitter folgt, wird anfangs viele „schlechte“ Tweets zum G6 gelesen haben. Tatsächlich war das Gerät nach der ersten Einrichtung nicht brauchbar, alles war immer mal wieder langsam, Apps stürzten ständig ab und die Kamera startete meist sehr langsam. Ein Reset half, seither kann die Performance überzeugen und Apps laufen stabil.

Hardware und Design: Markantes Auftreten

Huawei wirft sein P10 für einen Preis von 599 Euro in den Markt, dafür bietet es allerdings auch nur ein Full HD Display, kein weiter fortschrittliches Design und der schnelle Prozessor ist auch nicht ganz auf Niveau der Konkurrenz. Preis und Leistung stimmen aber. Bei LG hingegen stimmt das mit der UVP von 750 Euro nicht überein, denn der verbaute Snapdragon 821 ist aus dem Vorjahr, der Datenspeicher zu knapp bemessen und das Gehäuse nur teilweise gelungen.

Grundsätzlich bietet die äußere Hülle des LG G6 eine solide Haptik, liegt aber nicht wirklich „geschmeidig“ in der Hand. Ich mag die Übergänge nicht, die es vom Display und der Rückseite zum Metallrahmen gibt. Während die Konkurrenz einen weichen Übergang bietet, der sich zum Teil sehr organisch anfühlt, hat das G6 noch die sprichwörtlichen Ecken und Kanten. Natürlich ist das auch eine Frage des Geschmacks, ich mag aber eher nahtlose, weiche und runde Übergänge.

Apropos nahtlose Übergänge, der eigentlich coole Look leidet unter seinen zu großen Spaltmaßen an der Rückseite. Eine kleine Lücke zwischen Glasrückseite und Metallrahmen bietet Platz für Dreck. Und der sammelt sich dort gern, gut sichtbar für den Nutzer. Apropos Glasrückseite, mein Testgerät hat trotz Gorilla Glass 5 schon unzählige große und kleine Kratzer, zudem fühlt sich das Material schon fast nach Plastik an.

Ein Magnet für kleine Kratzer und Fingerabdrücke.
Aber frisch geputzt immer ein edler Hingucker.

Insgesamt sieht das LG G6 wirklich gut aus, es wirkt solide und elegant zu gleich. Wenn wir die erwähnten Spaltmaße mal außen vorlassen, kann ich dem LG G6 eine gute Verarbeitung attestieren. Zu den Pluspunkten gehören definitiv der wiedererkennbare Look, die guten Druckpunkte der Tasten, der optisch markant wirkende Metallrahmen und die schnörkellose Frontseite.

Natürlich sorgt das Verhältnis von Display zu Gehäuse für ein insgesamt sehr kompaktes Auftreten, das LG G6 ist trotz seines 5,7″ Displays nicht sonderlich groß. Ganz besonders im Vergleich zum OnePlus 5 wirkt das G6 sehr kompakt, im Vergleich zum Galaxy S8 wirkt das G6 hingegen schon wieder etwas klobig.

Display, Sound und Kamera: Na also, geht doch!

LG hat es Samsung gleich gemacht, das im G6 verbaute Display hat ein 18:9 Bildformat, runde Ecken und nimmt den größten Teil der Vorderseite für sich ein. Nicht nur das, die Bildqualität ist meines Erachtens absolute Spitzenklasse. Im LG G6 steckt ein rundum sehr gutes Display, über das ich nicht meckern kann und will. Wären da nicht die runden Ecken, die im Vergleich leider gar nicht mehr so rund wirken. Samsung kann mit dem Infinity Display einfach für einen perfekten Look sorgen, mit dem LG nicht mithalten kann.

Und was ist mit dem Displayformat? Es bringt eigentlich nur den Vorteil mit, dass sich ein 5,7″ Smartphone längst nicht mehr so groß anfühlen muss, als das noch vor einem Jahr der Fall war. Ansonsten sehe ich keine Vorteile, auch die an das 2:1 Display angepasste LG-Software ist mir im Alltag nie bewusst positiv oder negativ aufgefallen. Viel Blabla für das Marketing. Im Alltag (aktuell) gibt es dann sogar eher Nachteile. Videos auf YouTube sind selten im passenden Format, werden also entweder mit schwarzen Balken abgespielt oder „im Zoom“ beschnitten.

YouTube (und Musik) machen mit dem LG G6 übrigens recht viel Spaß, denn der leider erneut an der Unterseite verbaute Lautsprecher klingt ganz vernünftig. Lautstärke kommt da viel raus, zudem klingt der Sound sogar relativ satt. Ein bisschen Blechdose im Vergleich mit einem Huawei P10, insgesamt aber ganz gut.

LG setzt auf einzigartige Dualkamera

Ein Highlight des LG G6 ist die verbaute Dualkamera, denn sie hat einen endlich mal nützlichen und sichtbaren Vorteil. Erstmals konnten auch Laien aus meinem Freundeskreis diesen Vorteil sofort erkennen und sich daran erfreuen. Neben der Hauptkamera mit 13 MP und f/1.8 Blende, gibt es noch eine weitere Kamera an der Rückseite, welche dank 125° Linse optionale Weitwinkelaufnahmen ermöglicht.

mit Weitwinkel
mit Weitwinkel
ohne Weitwinkel
Große Blende sorgt für echte Unschärfe im Hintergrund

Man muss aber auch erwähnen, dass die Hauptkamera im Vergleich zu anderen Geräten ein leicht eingeschränktes Sichtfeld hat. Mir ist allerdings schleierhaft, warum das so ist. Dennoch sehen klassische Fotos mit der Kamera das LG G6 wirklich gut aus, zudem nutzte ich den Weitwinkel im Alltag immer wieder gern. Von der rückseitigen Kamera bin ich überzeugt, sie fokussiert schnell, akkurat und macht im Lowlight auch vernünftige Fotos.

Ein großer Unterschied zwischen Weitwinkel und normalen Fotos ist die Schärfe der Bilder. Im krassen Lowlight sind die Weitwinkelfotos quasi nicht zu gebrauchen, während die Fotos mit der einzelnen Hauptkamera selbst mitten in der Nacht noch relativ viele Details einfangen und ein vernünftiges Gesamtbild bieten. Auffällig ist auch, dass Details in Weitwinkelfotos immer mal wieder leicht verwischen.

Qualitativ möchte die Frontkamera mich nicht immer überzeugen, besonders bei weniger optimaler Ausleuchtung ist die Qualität der Fotos nur mittelmäßig. Für halbwegs vernünftige Selfies trotzdem ausreichend. Ein optionaler Weitwinkel ermöglicht Selfies mit viel Hintergrund oder vielen Personen, die integrierten Beauty-Funkionen sind nicht wirklich gut.

Performance, Software, Akku: Nicht weiter auffällig

Wir hatten mehrmals bereits den veralteten Prozessor erwähnt, wobei das natürlich etwas übertrieben ist. Ohne Frage liefert der Snapdragon 821 eine sehr gute Performance. Im Alltag ist der SoC selten langsamer, als etwa der neue Exynos von Samsung oder der Snapdragon 835, dennoch empfinde ich einen Prozessor aus dem Vorjahr der ursprünglichen UVP nicht angemessen. Der Otto-Normalverbraucher wird mit 821er trotzdem noch lange über die Runden kommen, Gaming ist natürlich auch im vollen Umfang möglich.

Hin und wieder hatte ich anfangs Probleme mit der Performance des G6, allerdings hat sich das alles nach einem Reset des Gerätes wieder gelegt. Apps starteten langsam, die Kamera war alles anders als schnell und Apps stürzten ab. Wie aber schon gesagt, nach einem Reset lief wieder alles gut. Es sollte also theoretisch keine allgemein auftretenden Probleme dieser Art geben. Ganz im Gegenteil, ein aufwändiges Spiel wie Asphalt 8 läuft auf dem G6 butterweich.

Und trotzdem hängt auch ein LG G6 gegenüber der Konkurrenz aus China in einigen Belangen hinterher, ein Huawei P10 reagiert in manchen Situationen einfach spürbar schneller und ein OnePlus 5 steckt die Konkurrenz ohnehin bei der Nutzung „normaler Apps“ in die Tasche. Smartphones von Samsung und LG fühlen sich vielleicht nicht wirklich langsam an, haben aber tatsächlich noch Luft nach oben. Das könnte natürlich mit der Software zusammenhängen.

LGs Software kann sich sehen lassen

LG hält sich hierbei zwar zurück, hat aber vielleicht noch Optimierungsbedarf. Insgesamt gefällt mit die Software von LG aber, denn sie verändert an Android im Grunde nicht sehr viel, sondern erweitert das System hier und da um ein paar Funktionen. Natürlich gibt es eine erweiterte Screenshot-Funktion, ein leicht eigener Look durch andere Farben und Symbole, wie auch eine integrierten „System-Optimierung“ und andere eigene Apps. Trotzdem hält sich die LG-eigene Software insgesamt in Grenzen.

In Grenzen hält sich leider auch die Akkulaufzeit, die in meinem Nutzungsszenario teilweise deutlich unter dem Galaxy S8 lag. Maximal erreiche ich um die 3,5 h Screen-on-Time, womit ich dann nach meist ca. 24 h an die Steckdose muss. Natürlich werden diese Zahlen je nach Nutzer variieren, doch für mich liegt die Akkuleistung des LG G6 allenfalls im Mittelmaß.

Ein Faktor dürfte sein, dass ich beim Galaxy S8 die Displayauflösung bei Full HD belassen hatte, was beim LG G6 leider nicht möglich ist. Ich merke das auch mit dem OnePlus 5, welches ab Werk sowieso nur maximal Full HD schafft und die Konkurrenz in Sachen Akku schlägt. Zwar bietet das G6-Display eine hervorragende Qualität, doch eine niedrigere Auflösung würde mir persönlich reichen und den Akku weniger belasten.

Sonstiges

  • Knock on: LG bietet weiterhin den Power-Button an der Rückseite an, das Display lässt sich aber auch nach wie vor über Knock on aktivieren. Zweimal auf das Display tippen, schon schaltet es sich an.
  • Der verbaute Power-Button hat einen Fingerabdrucksensor integriert, der meine Finger immer tadellos erkennt. Etwas schneller könnte sich das Display anschalten, wenn man denn unbedingt einen Kritikpunkt finden möchte.
  • Zu wenig Datenspeicher: Nur 32 GB verbaut LG, was einfach viel zu wenig ist. Immerhin mittels microSD erweiterbar, die aber im Zweifel nochmals extra Geld kostet und nicht so schnell wie der interne Datenspeicher läuft.
  • Gorilla Glass und ich werden nie Freunde. Variante 5 mag bei Stürzen gut helfen, ist im Alltag gegen Kratzer aber kaum ein Schutz. Ich hatte den Schutz zuletzt beim Galaxy S8 hart kritisiert.
  • In Europa gibt es nur die abgespeckte Variante ohne Wireless Charging und dedizierten Audio-Chip, beides wäre für den ursprünglich angesetzten Preis ein echter Mehrwert gewesen.
  • WiFi, Telefonie und Co funktionierten gut.

Fazit: Eine gute Wahl bis 500 Euro

LGs G-Serie hat in den letzten Jahren mächtig abgebaut, zuletzt war ich vom LG G2 (2013!) überzeugt. Aber die Südkoreaner haben sich wieder aufgerafft und liefern mit dem G6 ein wirklich solides Flaggschiff mit vielen positiven Faktoren. Es hat definitiv keinen Wow-Faktor, der auch noch nach Wochen beeindruckt, doch es bietet ein wahrlich gutes Gesamtpaket. Zur UVP hätte ich das LG G6 trotzdem nicht empfohlen, dafür fehlt einfach ein entsprechend großer Datenspeicher, eine adäquate Akkulaufzeit und natürlich auch ein brandaktueller Prozessor.

Aber der enorme Preisverfall sorgt dafür, dass das G6 nur zwei Monate nach Marktstart schon fast 300 Euro günstiger zu haben ist. 500 Euro ist das LG G6 allemal wert, allerdings kommt LG bei diesem Preis ein OnePlus 5 in die Quere und auch das Huawei P10 konnte im Test überzeugen. Die Auswahl an tatsächlich guten Flaggschiff-Smartphones war nie so groß und in diesem Jahr ist auch LG wieder mit dabei.

Wenn ich besondere Merkmale hervorheben müsste, wären es der optionale Weitwinkel der rückseitigen Kamera und das markante Design der Frontseite samt qualitativ hochwertigem Display.

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